Observation, 2,9 % meines Lebens ist ein visuelles Tagebuch, das auf Farbcodes, Zeichen und Zeichnungen basiert. / Entstanden ist dabei ein Jahresbild, 53 Wochenblätter.  / Es zeigt das Bemühen meine verstreichende Zeit eines Jahres visuell fassbar zu machen. / Zusätzlich gibt es Ausarbeitungen von einzelnen Wochen in Soll und Haben Buch. / Nachfolgend finden Sie Auszüge aus Observation, 2,9% meines Lebens und den Soll und Haben Blättern

 

Fragen zu Observation:

Finden Sie, dass die Künstlerin genügend Zeit für ihre künstlerische Arbeit aufbringt?

Finden Sie, dass die Künstlerin ein Erfolgstyp ist oder eher ein Versagertyp?

Finden Sie, dass die Künstlerin genug Freunde hat und sich auch genug Zeit für sie nimmt, oder finden Sie, dass sich die Künstlerin im „Socialising“ verbessern müsste, um erfolgreich zu sein?

Finden Sie, dass die Künstlerin genügend Zeit mit ihrem Lebenspartner verbringt?

Finden Sie, dass die Künstlerin genügend Bewegung macht, oder raten Sie ihr dringend, sich in einem Fitnesscenter einzuschreiben?

Finden Sie, dass die Künstlerin ein zufriedener Mensch ist, oder finden Sie, dass sie dringend eine Therapie braucht?

Finden Sie, dass die Künstlerin das von ihr gewählte Medium beherrscht, oder soll Sie eine andere künstlerische Ausdrucksweise wählen?

 

 

In dieser Arbeit beschäftige ich mich mit der visuellen Darstellung meiner Tagesstruktur. Observation besteht aus einer Serie von Farbstiftzeichnungen. Ein Jahr lang kam jede Woche ein neues Blatt hinzu. Ich habe dafür eine Grundstruktur und eine Reihe von Zeichen, die für bestimmte Tätigkeiten stehen, entwickelt.

Dieses System war offen für ständige Modifizierung, entsprechend der sukzessiven Verschiebungen im Leben und in der Arbeit selber. Die Zuordnung von Farben zu bestimmten Tätigkeiten schafft eine visuelle Struktur, die ein optisches erfassen der Tagesstruktur ermöglicht.

7 Tage werden auf einem Blatt festgehalten. Jeder Tag ist in vier Bereiche eingeteilt, die vier waagrechten Zeilen zugeordnet sind. Die Erste ist die Basiszeile, die “was” Ebene, auf ihr sind Zeichen und Farben die für die Tätigkeit stehen, zu sehen. Darunter die Zweite, die Gefühlsebene die “wie” fühlte ich mich Ebene, die Dritte Zeile ist dem “mit wem” gewidmete und die 4. und breiteste Zeile dient für differenzierte Informationen, für “was genau”.

Diese Arbeit ist ein Versuch die eigene Existenz festzuhalten, mir selber und einer interessierten Umwelt einen Tätigkeitsbericht abzuliefern, der penibel und absurd, sehr persönlich und schwer zu decodieren ist. Ich habe mich für eine Zeichensprache und Farbcodes entschieden und wollte ohne verbale Sprache auskommen. Bei der verbalen Sprache glaubt man so leicht zu wissen was genau bezeichnet ist. Zeichensprache und Farbcodes sind schwerer zu dekodieren und gleichzeitig universeller. Sowohl im Arbeitsbereich als auch im privaten/sozialen Umfeld wird Zeit immer mehr eingeteilt und effizient strukturiert. Tätigkeiten und Zeit werden evaluiert.

Es entsteht eine Teilung zwischen produktiver–finanzträchtiger  Arbeitszeit und effizient genutzter Freizeit. Gleichzeitig vermischt sich in vielen Bereichen, auch in der Kunst, das Private und das Öffentliche immer stärker. Wir wollen, wir sollen überall kompetent sein und in allen Bereichen mitreden. Unsere Meinung, unser Urteil ist gefragt, zur Lage der Welt und zum Beziehung-sproblem der Frau X, zur Kunst und zum Leben der KünstlerIn. In meiner Arbeit lege ich einen Bericht ab. Und der interessierte Betrachter kann mein Leben und meine Arbeit mitverfolgen – beurteilen. Das ist ein bißchen wie im Container bei Big Brother, allerdings in einer andere Umsetzung, in einem anderem Medium, weniger spektakulär und zeitverzögert. Wer Lust hat und sich Zeit nimmt kann decodieren, ist gleich lesen und/oder sich selber ein Bild, von der eigenen Tages–Wochenstruktur machen. Sonst ist die Installation eine schöne abstrakte Struktur, ein großes buntes Bild.

 

Weitere Überlegungen zur Arbeit:

Für mich war das schriftliche Festhalten von eigenen Handlungen und Geschehenen unbefriedigend. Da dabei das verschriftlichte Leben wieder in zeitlicher Abfolge, das heißt hintereinander, aufgenommen/gelesen werden kann. Ich strebte nach dem zusammenfassenden Eindruck des Moments, der dem unbewegten Bildmedium, besonders inne wohnt.

Zeitliches nacheinander in gleichzeitiges nebeneinander umzusetzen war mein Interesse.

Ich überlegte wie zeitliche Abläufe Tätigkeiten erfaßbar gemacht werden können. Wie Menschen Zeitabläufe meßbar machten.

Dabei entstanden Überlegungen über die Uhr.

Ich verglich die mechanische Uhr mit der digitalen. Wobei mir folgendes aufgefallen ist, das für die Umsetzung meiner künstlerischen Arbeit sehr wesentlich war.

 

Mechanische Uhr:

Die Aussage der Uhr steht in Relation zur räumlichen Anordnung der Elemente.

= nummerische und räumliche Ordnung

Dieses System ergibt ein Erfassen in Relation.

Um ein Gefühl zu bekommen

für die Verhältnismäßigkeit des Moments zur Gesamtheit des Tages ist es notwendig die räumliche Zuordnung der Tageszeiten zu kennen. Zum Beispiel: Zu wissen das Mittag der Mitte oben zugeordnet wird und Mitternacht

der Mitte unten. Für eine grobe Einschätzung der Tageszeit reicht eine sehr einfache Grundverständnis des Systems aus. Man

benötigt nicht unbedingt die Ziffern.

 

Digitale Uhr

Die Aussage der Uhr wir ausschließlich von den Ziffern geprägt. Die räumliche Anordnung der Ziffern hat keine Bedeutung für die Inhaltlichkeit.= nummerisch zeitliche Ordnung.

Die digitale Uhr ist rein abstrakt lesbar, kann jedoch viel präziser/detailierter Zeit meßbar machen.

Das Verhältnis von, zum Beispiel sieben Uhr Abends zu drei Uhr nachmittags ist nicht visuell erfaßbar, es ist ausschließlich denkbar/ rechenbar.

Die mechanische Uhr und die digitale Uhr schaffen zwei essentiell

unterschiedliche Begreifbarkeiten. In einem ähnlichen Verhältnis steht ein geschriebenes Tagebuch zu meinen diagrammatischen, zeichenhaften Kalenderaufzeichnungen.

Observation, 2,9 % meines Lebens


52. Woche 2004
Farbstiftzeichnung 35,6 x 41,7cm

09. Woche 2004
Farbstiftzeichnung 35,6 x 41,7cm

20. Woche 2004
Farbstiftzeichnung 35,6 x 41,7cm

34. Woche 2004
Farbstiftzeichnung 35,6 x 41,7cm